Kurz & knapp Wie stark ist der Schmerz? Das ist eine der entscheidenden Fragestellungen für Dipl.-Med. Jens Eschenburg bei der Diagnose eines Lymphödems. Neben der Schmerzminderung hat die anschließende Therapie zum Ziel, die Mobilität der Patientinnen zu verbessern. Dabei stellt Kompressionsversorgung für den Facharzt einen wesentlichen Bestandteil dar.
Venenbeschwerden·Lymph- und Lipödem·Kompressionsstrümpfe
„Die Schmerzreduktion ist der Schlüssel zum Erfolg“
Lipödem-Leitlinie in der Praxis
Von Bauerfeind Life am 17.09.2025
Die neue Lipödem-Leitlinie setzt klare Akzente: Schmerz wird zum zentralen Diagnosekriterium, die äußere Erscheinung tritt in den Hintergrund. Für Ärzte wie Dipl.-Med. Jens Eschenburg stehen deshalb die individuelle Schmerzerfassung, differenzialdiagnostische Abgrenzung und die Therapie mit Kompression im Mittelpunkt. Manuelle Lymphdrainage nutzt er zur gezielten Schmerzmodulation. Im Ergebnis reduziert sich bei vielen Betroffenen der Schmerz spürbar – ein motivierendes Erlebnis, das die konservative Therapie stärkt.
Seit Januar 2024 gilt die neue S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Lipödems – und wie viele Mediziner hat auch Dipl.-Med. Jens Eschenburg, Facharzt für Chirurgie und langjähriger Experte für Lipödem-Behandlungen, sie bereits vollständig in seinen Behandlungsalltag integriert. Die größte Neuerung der Leitlinie betrifft die Diagnosestellung. Während früher oft das äußere Erscheinungsbild im Vordergrund stand, rückt nun der subjektive Leidensdruck der Patientinnen in den Mittelpunkt. „Die Schmerzsymptomatik ist zum zentralen Diagnosekriterium geworden“, erklärt Jens Eschenburg, der in seiner Neubrandenburger Praxis jede Woche etwa 20 neue Lipödem-Patientinnen behandelt. „Wir erfassen die Schmerzhaftigkeit systematisch auf einer Skala von 0 bis 10, wobei 0 für keine Schmerzen und 10 für unerträgliche Schmerzen steht.“ Ergänzend dazu kommt ein ausführlicher Fragenkatalog zum Einsatz. Diese detaillierte Erfassung führt zu einer möglichst präzisen Diagnosestellung. „Die meisten unserer Patientinnen bewegen sich auf der Schmerzskala im Bereich zwischen 5 und 7“, berichtet Jens Eschenburg. „Das Entscheidende ist, dass dieser Wert unabhängig vom äußeren Erscheinungsbild ist. Wir sehen Patientinnen mit optisch stark ausgeprägtem Lipödem, die relativ wenig Schmerzen haben, und umgekehrt.“ Diese Erkenntnis unterstreicht einen weiteren zentralen Punkt der neuen Leitlinie: Der Body-Mass-Index (BMI) und das äußere Erscheinungsbild sind keine verlässlichen Indikatoren für den Schweregrad eines Lipödems.

Zur besseren Verifizierung errechnet Jens Eschenburg die Waist-to-Height-Ratio der Patientinnen. Auch die Annahme, dass das Lipödem zwangsläufig fortschreitet, wird relativiert: „Es kann schlimmer werden, muss es aber nicht“, so der 64-jährige Mediziner, der bei einem Großteil seiner Patientinnen mit Lipödem eine eindeutige Diagnose stellen kann. Die klare Abgrenzung des Lipödems von anderen Erkrankungen wie Adipositas oder Lipohypertrophie ist dahingehend ein weiterer wichtiger Aspekt der neuen Leitlinie. „Die Differenzialdiagnostik hatte bei mir schon immer einen hohen Stellenwert, das wird jetzt auch von der Leitlinie bekräftigt“, bestätigt Jens Eschenburg. In seiner Praxis dauert die Erstdiagnostik daher mindestens 30 Minuten und umfasst neben Anamnese und Schmerzerfassung auch apparative Untersuchungen. Dazu gehört die Doppler-Sonographie der Gefäße, um vaskuläre Probleme wie eine Varikose oder eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) auszuschließen. Für den Ausschluss weiterer Erkrankungen ist die enge Zusammenarbeit mit dem Hausarzt und ggf. anderen Fachkollegen notwendig.

Kompression bleibt Basistherapie
Die anschließende Lipödem-Therapie kann gemäß der neuen Leitlinie grundsätzlich mit rund- oder flachgestrickten medizinischen Kompressionsstrümpfen (MKS) erfolgen. Bei Jens Eschenburg gibt es allerdings eine klare Präferenz: „Fast alle unserer Patientinnen werden mit flachgestrickten Kompressionsstrümpfen versorgt“, berichtet der Facharzt. „Der Flachstrickstrumpf bildet die Basis für die Behandlung insbesondere von Lipödemen mit stark ausgeprägten Kalibersprüngen oder Wammen.“ Und welches Feedback zu den Strümpfen erhält er von seinen Patientinnen? „Die meisten kommen damit sehr gut zurecht. Das ist essenzielle Voraussetzung dafür, dass sie auch wirklich konsequent getragen werden, was wiederum maßgeblich zum Erfolg der Behandlung beiträgt.“
„Ohne aktive Mitarbeit der Betroffenen können wir keine nachhaltigen Erfolge erzielen.“
Dipl.-Med. Jens Eschenburg
In der Erstversorgung erhalten die Patientinnen zwei Garnituren Kompressionsstrümpfe, die sie über einen Zeitraum von sechs Monaten abwechselnd tragen. Die hygienische Wechselversorgung wird in der Regel von den Krankenkassen übernommen. Im Halbjahresrhythmus kann dann erneut verordnet werden, bei besonderer, zum Beispiel hygienischer Belastung auch häufiger. Das Leitsymptom Schmerz kann entsprechend der Leitlinie mittels zusätzlicher manueller Lymphdrainage (MLD) in Kombination mit weiteren Therapietechniken behandelt werden, falls die Kompression nicht zu einer Schmerzreduktion führt. Die MLD zielt dann nicht auf eine Volumenreduktion, sondern auf die Modulation der C-Fasern ab. Nachgewiesen sind für die MLD sowohl eine sympathikolytische Wirkung2 als auch eine Erhöhung der Schmerztoleranz sowie eine Erhöhung der Schmerzschwelle3.
2 Brenke and Seewald 1992; Do et al. 2015; Hutzschenreuter and Ehlers 1986; Kim 2014
3 Cho et al. 2016; Do et al. 2015; Keser and Esmer 2019; Kim 2014

Die Therapiemaßnahmen haben neben der Schmerzminderung das Ziel, die Mobilität zu verbessern und die Patientinnen in die Lage zu versetzen, aktiv an der Behandlung mitzuwirken – etwa durch Bewegungstherapie und den selbstständigen Umgang mit der Kompression. Das Selbstmanagement ist ein ebenso wichtiger wie oft unterschätzter Bestandteil der Therapie: „Ohne aktive Mitarbeit der Betroffenen können wir keine nachhaltigen Erfolge erzielen“, macht Jens Eschenburg klar. Daher gehört für ihn neben der konsequenten Tragedisziplin bei den Kompressionsstrümpfen auch eine begleitende Ernährungsberatung zur Therapie, besonders wenn eine Adipositas als Erkrankung eine Rolle spielt. Grundsätzlich sei allen Lipödem-Patientinnen statt kurzfristiger Diäten eine dauerhaft gesunde, individuell abgestimmte Ernährung zu empfehlen. Dabei geht es um das Bewusstsein, mit den Ernährungsgewohnheiten Blutzucker- und Insulinspiegel und damit Lipogenese und inflammatorische Prozesse positiv zu beeinflussen.

Schmerzreduktion als Erfolgserlebnis
Die Erfolge dieses ganzheitlichen Behandlungskonzepts sprechen für sich. So ließen sich laut den Erfahrungen in der Praxis meist sowohl die Waist-to-Height-Ratio der Patientinnen als auch die Schmerzhaftigkeit signifikant verringern, beispielsweise von 7 auf 3 auf der Schmerzskala. „Wenn der Schmerz abnimmt, haben wir alles richtig gemacht“, sagt Jens Eschenburg. „Die Schmerzreduktion ist der Schlüssel zum Erfolg und für die Patientinnen eine spürbar positive Erfahrung.
„Wenn der Schmerz abnimmt, haben wir alles richtig gemacht.“
Dipl.-Med. Jens Eschenburg
Sie steigert ihre Lebensqualität und motiviert sie dazu, die Behandlung insbesondere mit den Kompressionsstrümpfen weiter konsequent fortzuführen. Die konservative Behandlung des Lipödems hat also sehr hohe Erfolgschancen.“ Das zeigt sich auch in seiner Praxis: Es unterziehen sich nur wenige Patientinnen einer operativen Fettabsaugung (Liposuktion), während sich die meisten Patientinnen mit der konservativen Therapie sehr gut behandelt fühlen.
Bilder: Anika Büssemeier, Bauerfeind AG
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