Kurz & knapp Das 10. Phlebologie-Forum in Zeulenroda stellte patientenorientierte Diagnostik und Therapie in den Mittelpunkt und erreichte mit 135 Teilnehmenden einen Rekord. Fachvorträge behandelten Thrombose, Ulcus cruris, Lymphödem und Lipödem und betonten, dass neben Leitlinien immer individuelle Risikofaktoren berücksichtigt werden müssen. Bei der Thrombose-Diagnostik wurden Fallstricke wie Fehldeutungen von D-Dimeren oder seltene Lokalisationen hervorgehoben; in der Therapie stehen Antikoagulanzien und frühzeitige Kompression im Vordergrund. Beim Lipödem gilt die Kompressionstherapie als zentrale Säule, ergänzt durch Ernährung, Bewegung und psychosoziale Unterstützung, während bei älteren Patienten die individuelle Anpassung der Ödemtherapie wichtig ist. Das Ulcus cruris wurde als komplexes Krankheitsbild mit vielfältigen Ursachen diskutiert, wobei eine konsequente Ursachenforschung und interdisziplinäre Zusammenarbeit gefordert wurde.
Ulcus Cruris Venosum·Venenbeschwerden·Lymph- und Lipödem
Patientenorientierte Diagnostik und Therapie im Mittelpunkt
10. Phlebologie-Forum in Zeulenroda
Von Bauerfeind Life am 26.11.2025
Mitte Juni 2025 fand unter der wissenschaftlichen Leitung von Frau Dr. Christine Zollmann bereits zum 10. Mal das Phlebologie-Forum in Zeulenroda statt. Mit 135 Teilnehmenden verzeichnete das Jubiläum einen neuen Teilnahmerekord. Die praxisnahen Fachvorträge zu Venenthrombose, Ulcus cruris, Lymphödem und Lipödem beleuchteten unterschiedliche Krankheitsbilder, zeigten aber eine große Gemeinsamkeit: neben den evidenzbasierten Leitlinienempfehlungen sollten immer patientenindividuelle Risikofaktoren und klinische Befunde bei der Diagnostik und Therapie berücksichtigt werden. Dieser Ansatz zur patientenorientierten Versorgung wurde durch Kasuistiken aus der klinischen Praxis eindrucksvoll untermauert. Die Notwendigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit bei diesen komplexen Krankheitsbildern spiegelte sich auch in den teilnehmenden Fachbereichen wider: Ärztinnen und Ärzte aus den Bereichen Phlebologie, Lymphologie, Angiologie, Dermatologie, Innere Medizin und Allgemeinmedizin sowie Lymphtherapeuten, Physiotherapeuten und Wundexperten nutzten die Gelegenheit zum fachlichen Austausch.
Rund um die Thrombose – Evidenz und Praxistauglichkeit anhand von Kasuistiken
Dr. Tom Schilling fasste die vielfältigen Fallstricke bei der Thrombose-Diagnose zusammen. So lohnt es sich, nicht nur symptomatische Regionen zu untersuchen, sondern auch die kontralaterale, auf den ersten Blick asymptomatische Seite. Auch an seltene Lokalisationen sollte man immer denken. Eine mögliche Fehlinterpretation der D-Dimere, eine nicht indikationsgerechte Umfeld- und Thrombophilie-Diagnostik, das Übersehen nicht-vaskulärer Pathologien sowie die Fehldeutung „frische Thrombose versus postthrombotisches Syndrom (PTS)“ sind weitere Herausforderungen auf dem Weg zur gesicherten Diagnose. Bei Verdacht auf eine tiefe Venenthrombose sollten immer Baker-Zysten, Kniegelenk-Arthropathien, Faserrisse, Einblutungen oder zystische Raumforderungen als Differentialdiagnosen in Betracht gezogen werden.

Die leitliniengerechte Thrombose-Therapie präsentierte Dr. Tobias Hirsch. Das multimodale Management der Phlebothrombose umfasst im akuten Setting die Prävention einer Lungenembolie und langfristig die Vermeidung eines PTS als chronische Komplikation. Wichtig sei zudem die rechtssichere Dokumentation. Neben den Besonderheiten der Initial- und Erhaltungstherapie – bevorzugt mit direkten oralen Antikoagulanzien – betonte er, dass die Entscheidung über eine mögliche langfristige Sekundärprophylaxe mit Antikoagulanzien individuell und unter Berücksichtigung der Patientenpräferenz gefällt werden muss. Zudem untermauerte Dr. Hirsch den klinischen Nutzen der medizinischen Kompressionstherapie. Sie soll leitliniengerecht bei venöser Stauungssymptomatik frühzeitig innerhalb von 24 Stunden nach Diagnosestellung begonnen und über bis zu sechs Monate fortgeführt werden – in der Regel mit einem medizinischen Kompressionswadenstrumpf der Kompressionsklasse 2 und mit Schenkelstrümpfen bei zusätzlicher Oberschenkelschwellung.

Prof. Dr. Viola Hach-Wunderle referierte zu hormonellen Einflüssen auf das Thromboserisiko. Im Rahmen der Antikoagulation bei Thrombosen warnte sie vor einem reflexartigen Absetzen kombinierter oraler Kontrazeptiva, da bis zu 70 % der Frauen eine Hypermenorrhoe entwickeln können. Darüber hinaus müsste dann sofort an eine alternative Verhütungsmethode gedacht werden, um eine Schwangerschaft unter oraler Antikoagulation zu vermeiden. Die Auswahl geeigneter Hormonpräparate sollte interdisziplinär mit der Gynäkologie erfolgen. Weiterhin erläuterte sie, dass eine postmenopausale Hormonsubstitution nur bei Beschwerden initiiert werden sollte – und zwar mit Östrogen plus Gestagen, falls der Uterus noch vorhanden ist, bzw. mit Östrogen allein bei Zustand nach Hysterektomie. Die transdermale Gabe von Östrogen hat ein geringeres Thromboserisiko als die orale Einnahme.

Rund um Lipödem, Lymphödem, Lymphdrainage und Kompression
Mit Frau Dr. Gabriele Faerber beantwortete die Koordinatorin der aktuellen Lipödem-Leitlinie die Frage „Lipödem verstehen – hilft die neue Leitlinie?“. Das Lipödem soll als schmerzhafte, disproportionale symmetrische Fettgewebsverteilungsstörung der Extremitäten beschrieben werden, die fast ausschließlich bei Frauen vorkommt. Da Schmerzwahrnehmung und Leidensdruck von Patientin zu Patientin stark variieren können, ist die morphologische Stadieneinteilung nicht mehr aussagekräftig. Eine Herausforderung bleibt: die Schmerzintensität ist nicht objektivierbar. Somit ist das Vertrauen in die Angaben der Patientinnen wichtig. Frau Dr. Faerber betonte, dass die Kompressionstherapie die zentrale Säule der Therapie bleibt – individuell angepasst an Anatomie, Haut- und Bindegewebszustand und mit dem primären Ziel der Schmerzreduktion. Bei großen Umfangsänderungen, konisch geformten Extremitäten sowie vertieften Gewebefalten soll ein flachgestrickter medizinischer Kompressionsstrumpf verordnet werden. Ein wichtiger Appell von Frau Dr. Faerber war das Verständnis für die ganzheitliche Therapie: neben einer psychosozialen Unterstützung spielen vor allem Ernährung und Bewegungstherapie eine entscheidende Rolle bei der Gewichtsreduktion und Beschwerdebesserung.

Dr. Anya Miller beleuchtete die Ödemtherapie älterer Patienten. Herausforderungen mit steigendem Lebensalter sind die Alterung des Lymphgefäßsystems und der Haut mit reduzierter Barrierefunktion sowie Komorbiditäten. Die Ursachen für ein Ödem bei älteren Patienten können multifaktoriell sein (u.a. lymphatisch-, kardial-, renal-, Medikamenten- oder Immobilitäts-bedingt) und müssen immer patientenindividuell im Rahmen der Therapie berücksichtigt sowie engmaschig kontrolliert werden. Sie empfahl individuell angepasste Kompression (ggf. mehrteilige Versorgungen), Verordnung von An- und Ausziehhilfen und Einbindung von Angehörigen. Auch altersgerechte Bewegung und Selbstmanagement sollten gefördert werden – kombiniert mit gesunder Ernährung und adäquater Hautpflege.

Ergänzend klärte Dr. Schilling über Kompressionstherapie bei Komorbiditäten auf: bei Herzinsuffizienz NYHA I–II und pAVK ohne kritische Ischämie sei Kompression möglich – unter engmaschiger ärztlicher Kontrolle und Eigenkontrolle durch den Patienten (u. a. Verfärbung der Zehen, Taubheitsgefühl, Schmerzen, Kurzatmigkeit). Bei Neuropathien, z. B. durch Diabetes, ist besondere Vorsicht geboten.
Rund um das Ulcus cruris
Zum Abschluss rückte das Ulcus cruris venosum (UCV) in den Fokus, das von Beginn an als chronische Wunde zu sehen ist. Zur UCV-Erstdiagnostik und vor invasiver Therapie soll eine farbkodierte Duplexsonographie der Beinvenen erfolgen. Konservative Therapiemaßnahmen wie adäquate Wundversorgung und Kompressionstherapie sollen den Patienten bei noch ausstehender Duplexsonographie nicht vorenthalten werden. Ein begleitendes Lymphödem soll in das Behandlungskonzept miteinbezogen werden. Der klare Appell von Frau Dr. Zollmann lautete: „Wir müssen endlich aufhören, die chronische Wunde nur zu behandeln. Wir müssen die Ursache suchen.“ Auch wenn das UCV die häufigste Form eines Ulcus cruris darstellt, ist die Genese entscheidend: handelt es sich um eine vaskuläre, neuropathische, dermatologische, metabolische, Neoplasie- oder Infektions-bedingte Ursache? Aufgrund dieser multifaktoriellen Ursachen und komplexer Behandlungspläne ist ein interdisziplinäres Netzwerk wichtig – von Haus- und Fachärzten über Wundzentren bis hin zu Physiotherapie und Pflege.

Prof. Dr. med. Birgit Kahle knüpfte an die Komplexität des Ulcus cruris an und präsentierte Kasuistiken, bei denen sich vermeintliche UCVs als andere Erkrankungen herausstellten: darunter ein Plattenepithelkarzinom (Marjolin-Ulkus), ein Ulcus hypertonicum Martorell, ein Immobilitäts-bedingtes Unterschenkelgeschwür, eine Sarkoidose sowie ein Dependency-Syndrom mit Kompression der Vena femoralis durch massiven Bauchumfang. Dies verdeutlicht die diagnostische Vielfalt. Neben der medizinischen Ursachenklärung braucht es auch aktive Patientenmitarbeit.

Fotos: Andreas Wetzel, Pat Scheidemann
Verwandte Themen
Hilfsmittel-App
Mit dieser App wird die Auswahl des geeigneten medizinischen Hilfsmittels für Ärzte und Fachhändler stark vereinfacht. Mit ihrer intuitiven Bedienbarkeit werden Informationen zu Bauerfeind-Produkten überall verfügbar – schnell und simpel
