Kompressionsstrümpfe·Venenbeschwerden
„Offenes Bein nicht einfach hinnehmen“
Therapie des Ulcus cruris venosum
Von Bauerfeind Life Magazin am 30.10.2016
Für Ulcus cruris-Patienten ist das Venenzentrum der Kliniken für Dermatologie und Gefäßchirurgie der Ruhr-Universität im St. Maria-Hilf-Krankenhaus in Bochum eine wichtige Anlaufstelle. Prof. Dr. med. Markus Stücker, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie, Dermatologe und Leiter der Klinik, erläutert die verschiedenen Ulzerationen am Bein und deren Therapie.
2015 wurde Ihre Einrichtung als Venenzentrum zertifiziert. Wo liegen die Stärken Ihrer Klinik?
Prof. Dr. Stücker: Durch das interdisziplinäre Zusammenarbeiten von Dermatologen und Gefäßchirurgen können wir unsere Patienten hoch spezialisiert versorgen. Jährlich führen wir über 2.000 große Varizen-Operationen durch und behandeln monatlich 50 bis 60 Patienten mit Ulcus cruris, 300 von ihnen im Jahr auch stationär, etwa aufgrund von Infektionen oder ungünstigen Wundverläufen. Wichtig ist uns eine möglichst wenig invasive, aber dennoch gründliche und dauerhafte Therapie.
Wie lange haben die meisten Patienten das Ulkus, bevor sie zu Ihnen kommen?
Prof. Dr. Stücker: Früher hatten wir viele Patienten, die bereits mehrere Jahre mit einem offenen Bein gelebt haben. Heute kommen die Betroffenen deutlich zeitiger zu uns, meist nach vier bis fünf Wochen. Der Vorteil eines frühen Befunds ist , dass das Ulkus kleiner und die Beweglichkeit noch nicht so stark eingeschränkt ist. Die kausale Therapie kann früher beginnen. Die Aufklärung dahingehend ist mittlerweile gut vorangeschritten. Die meisten wissen, dass die Behandlung weniger langwierig und schmerzhaft ist , je früher sie beginnt und vielleicht auch eine Operation vermieden werden kann. Und schließlich sind auch die Hausärzte sensibler und schicken ihre Patienten früher zum Facharzt , die Zusammenarbeit mit dem Venenzentrum ist hier sehr gut.
Welche Arten von Ulzera können auftreten und wie werden diese behandelt?
Prof. Dr. Stücker: Ein Ulcus cruris, eine schlecht heilende Wunde am Unterschenkel, kann verschiedene Ursachen haben und je nach Grunderkrankung variiert die Art der Therapie. Oberstes Ziel sind – neben der Behandlung der Grunderkrankung – das rasche Beseitigen der oft starken Schmerzen, ein Defektverschluss und die Infektbekämpfung. Der häufigste Grund für ein Ulcus cruris ist eine chronische venöse Insuffizienz (CVI), etwa durch Krampfadern (Varikose) oder ein postthrombotisches Syndrom. Außerdem entstehen Ulzerationen durch Verschlüsse der Arterien, eine Vaskulitis, die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) sowie aufgrund bösartiger Erkrankungen (wie einem Plattenepithelkarzinom) oder einer Nervenschädigung (Polyneuropathie). In jedem Fall machen wir eine standardisierte Diagnostik und führen u. a. eine Duplex-Sonografie und Venenfunktionsmessung durch, messen den Knöchel-Arm-Index und schauen auf die Sensibilität der Füße. Damit haben wir einen guten Überblick, wo und in welchem Umfang die Venen der Patienten geschädigt sind. Dann gilt es, eine kausale Therapie einzuleiten. In rund der Hälfte der Fälle bedeutet das, vorhandene Varizen zu behandeln. Grundlage für alle anschließenden Therapieoptionen ist die Kompressionstherapie.
Wie unterstützt die Kompression den Heilungsprozess?
Prof. Dr. Stücker: Der verlangsamte Blutfluss durch die CVI hat zur Folge, dass sich vermehrt weiße Blutkörperchen an den Venenwänden anlagern. Das verursacht Entzündungen. Die Kompression reduziert den Wanddurchmesser der Venen und erhöht damit die Fließgeschwindigkeit des Bluts. Dadurch können sich nicht mehr so viele weiße Blutkörperchen an den Venenwänden anlagern. Die Entzündungsgefahr wird gesenkt.
Zu welchem Zeitpunkt in der Therapie kann ein Kompressionsstrumpf eingesetzt werden?
Prof. Dr. Stücker: Die Kompressionstherapie erfolgt in zwei Stufen. Die erste Stufe ist die Entstauungsphase, hier kommt ein Kompressionsverband zum Einsatz. Der Verband wird anfangs täglich gewechselt , später alle zwei bis vier Tage. Unsere Patienten profitieren dabei von der guten Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten und ambulanten Pflegediensten. Letztere haben speziell ausgebildete Wundschwestern und Wundpfleger, die uns über den Wundverlauf informieren – etwa indem sie Bilder schicken – und Rückfragen zur weiteren Behandlung stellen. Nach der Entstauungsphase steigen wir auf ein Ulkus-Strumpfsystem um, bis die Ulzeration abgeheilt ist. War eine Erkrankung der tiefen Leitvenen die Ursache für das Ulkus, muss der Patient danach weiterhin konsequent Kompressionsstrümpfe tragen, um ein Rezidiv zu vermeiden.
Welche Erfahrungen haben Sie mit VenoTrain ulcertec für die Ulkus-Therapie gemacht?
Prof. Dr. Stücker: Das Ulkus-Strumpfsystem VenoTrain ulcertec setzen wir am häufigsten ein. Im Vergleich zu Bandagen sehen wir dabei mehrere Vorteile: Sowohl die Pflegekräfte als auch die Patienten können den Strumpf relativ einfach anlegen. Der definierte Druck wird in jedem Fall kontinuierlich gewährleistet. Mit dem Strumpf ist der Betroffene im Sprunggelenk beweglicher, kann normale Schuhe anziehen und schließlich besser mobilisiert werden. Über Nacht kann nur der Unterstrumpf getragen werden. Die Wunde bleibt damit gut verbunden und es ist möglich, die Kompression zu reduzieren.
Lassen sich alle Ulzerationen mit VenoTrain ulcertec versorgen?
Prof. Dr. Stücker: Ja, da gibt es keine Einschränkungen, auch bei sehr großen Ulzera nicht. Und auch ein Ulcus cruris mixtum, also das gleichzeitige Vorliegen einer CVI und einer pAVK, ist damit gut versorgt , vorausgesetzt , der Knöchelarteriendruck liegt nicht unter 60 mmHg. Innerhalb von zwei bis drei Monaten sind die meisten Ulzera abgeheilt , eine Heilungstendenz ist deutlich früher sichtbar. Insgesamt haben sich Kompressionsstrümpfe bei der Ulkus-Versorgung gut etabliert und auch die Mitarbeiter der Pflegedienste können gut damit umgehen.
Wie hoch ist die Rezidivrate bei Ulkus-Erkrankungen?
Prof. Dr. Stücker: Die Rezidivraten werden geringer, weil häufiger eine kausale Therapie gemacht wird und die krankhaften Venen ausgeschaltet werden. Nach abgeheiltem Ulkus steht dann die Nachbehandlung der Veneninsuffizienz im Vordergrund. Außerdem tragen die Patienten ihre Strümpfe konsequenter. Die Patienten wissen mittlerweile, dass man ein offenes Bein nicht als Schicksalsschlag hinnehmen muss, sondern dass es geheilt werden kann. Die Behandlung wird verstanden.
Bilder: Stefan Durstewitz, Prof. Dr. Stücker
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