Kompressionsstrümpfe·Venenbeschwerden
Stimmt der Druck?
Pilotstudie zur Kompressionsstrumpfversorgung
Von Bauerfeind Life Magazin am 29.03.2010
Medizinische Kompressionsstrümpfe gehören zu den wichtigsten Therapiemethoden bei Venenleiden. Besitzen sie jedoch immer den korrekten Anpressdruck, den sie entsprechend der RAL-Norm haben müssten, um ihre Funktion zu erfüllen? Dies hat Dr. med. Stefanie Reich-Schupke, Fachärztin für Dermatologie im Venenzentrum der Kliniken der Ruhr-Universität Bochum, erstmals im Praxisalltag untersucht1.
Was hat Sie dazu gebracht, Kompressionsstrümpfe unter die Lupe zu nehmen?
Dr. med. Stefanie Reich-Schupke: In unserem täglichen Umgang mit Patienten, die Kompressionsstrümpfe tragen, haben wir festgestellt, dass es immer wieder Patienten mit Schnürfurchen gibt oder solche, bei denen trotz Strumpf keine wesentliche Verbesserung des Venenleidens eintritt. Wir haben uns daher gefragt: Liegt es daran, dass der Patient den Strumpf nicht trägt oder taugt der Strumpf nichts? Daher wollten wir untersuchen, ob die Produkte unserer Patienten den Anpressdruck besitzen, den sie entsprechend der RAL-Norm haben sollten.
Was ist bei Ihrer Studie herausgekommen?
Dr. Reich-Schupke: In nur 62 Prozent der Fälle entsprach der Ruhekompressionsdruck am Unterschenkel den Anforderungen der Norm. Bei etwa einem Drittel der Strümpfe war das nicht der Fall. Dabei traten mehrere Probleme auf: Ein Großteil besaß einen zu geringen Anpressdruck im Fesselbereich, also an der Stelle, nach der medizinische Kompressionsstrümpfe einer Kompressionsklasse zugeordnet werden. Andere Strümpfe hatten einen falschen Druckverlauf. Bei ihnen war der Druck an der Fessel vergleichsweise zu niedrig und hat nach oben hin zugenommen. Und bei einem sehr geringen Teil der untersuchten Produkte war der Druck im Fesselbereich zu stark für die Kompressionsklasse.
Wie viele und welche Art von Produkten haben Sie untersucht?
Dr. Reich-Schupke: Wir haben rundgestrickte medizinische Kompressionsstrümpfe der Klasse II von insgesamt 50 Patienten unter die Lupe genommen. Dabei wurde nicht nach Herstellern oder Marken unterschieden. Die Patienten kamen mit dem Strumpf, mit dem sie versorgt wurden.
Wie sind Sie vorgegangen?
Dr. Reich-Schupke: Für die Untersuchung haben wir das Kikuhime-System eingesetzt, einen Drucksensor, der schon bei anderen Studien verwendet wurde. Um den Anpressdruck des Kompressionsstrumpfes am Patientenbein zu messen, wurde der Sensor unter dem Strumpf druckfrei an immer gleichen Punkten auf der Haut fixiert.
Was sind Ihrer Meinung nach die Ursachen für einen zu geringen Anpressdruck?
Dr. Reich-Schupke: Ein möglicher Grund ist, dass der Strumpf fälschlicherweise an einem noch nicht entstauten Bein angemessen wurde. Wenn das Bein dann später an Volumen verliert, sitzt der Strumpf zu locker. Ein weiterer möglicher Einflussfaktor ist das Ausmessen selbst: Wird fehlerhaft gemessen, kann dies zu einer falschen Versorgung führen. Denkbare Ursache ist auch eine therapieinduzierte Umfangsreduktion mit konsekutiver Druckminderung. Das bedeutet: Bei einer Kompressionstherapie drückt der Strumpf von außen auf das Bein, dadurch nimmt der Beinumfang ab. Allerdings hat man in anderen Studien herausgefunden, dass diese Reduktion nicht so erheblich ist. Ein wiederholtes An- und Ausziehen veränderte den Anpressdruck im Fesselbereich übrigens nicht signifikant.
Welche Folgen kann zu geringer Druck für Patienten haben?
Dr. Reich-Schupke: Zum Beispiel könnte eine Thrombose durch mangelnden Druck von außen nur unzureichend therapiert werden und so weiter voranschreiten. Möglich ist auch, dass Venenentzündungen nicht austherapiert werden, oder, dass ein Ulcus cruris nicht abheilt. Gerade bei Letzterem ist die Kompressionstherapie wesentlich, vor allem wenn nicht operiert wird. Wenn der Strumpf nicht richtig sitzt oder keinen ausreichenden Druck liefert, verheilt die Wunde nicht vollständig.
Was müsste in Zukunft geändert werden?
Dr. Reich-Schupke: Für die Fälle, die wir untersucht haben, sollte zuerst der Anpassungsmodus verbessert werden. Optimalerweise sollten medizinische Kompressionsstrümpfe grundsätzlich nur von geschultem Personal und nach verbindlichem Maßschema angepasst werden. Der Einsatz digitaler Messsysteme ist dabei die bessere Lösung, da hier subjektive Fehlerquellen bei der Vermessung ausgeschlossen werden können. Es wäre auch überlegenswert, den Anpressdruck im Laufe der Therapie erneut zu kontrollieren und sich nicht darauf zu verlassen, dass sich die Beinmaße nicht verändert haben.
Wie geht es nun weiter?
Dr. Reich-Schupke: Nach unserer Pilotstudie würden wir gerne in einer weiteren Studie Strumpftypen unterschiedlicher Herstellungsarten – rund- und flachgestrickt – miteinander vergleichen. Eine andere Projektidee ist ein Vergleich von Strümpfen verschiedener Hersteller.
1 Pilotstudie „Der Anpressdruck rundgestrickter medizinischer Kompressionsstrümpfe im klinischen Alltag“, Mitautoren: Prof. Dr. Markus Stücker, Prof. Dr. Peter Altmeyer und Doktorandin Mirja Gahr.
Bilder: Ralph Pache
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