Kompressionsstrümpfe·Lymph- und Lipödem

Lipödem-Patientinnen erkennen und schnell therapieren

Lipödem und Kompressionstherapie

Von Bauerfeind Life am 23.01.2025

Kurz & knapp Wie enorm wichtig und zugleich schwierig die exakte Diagnose eines Lipödems ist, darauf gingen Fachärztin Dr. Julia Middelhoff und Physiotherapeut Oliver Gültig als Referenten eines Workshops im Programm der DGPL-Jahrestagung ein. Dabei kommt der Schmerzanamnese und dem Ausschluss anderer schmerzauslösender Ursachen eine wichtige Rolle zu. Inwiefern bei der anschließenden Therapie der Fokus vor allem auf die Kompressionstherapie gelegt werden soll, wird im Workshop-Bericht erläutert.

Wie lässt sich ein Lipödem diagnostizieren, welche Therapiemöglichkeiten gibt es und welche Rolle spielt die neue Leitlinie[1] dabei? Diese und viele weitere Themen behandelten die Fachärztin Dr. Julia Middelhoff und Physiotherapeut Oliver Gültig im Bauerfeind-Workshop zur Lipödemtherapie, der anlässlich der 66. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie und Lymphologie in Freiburg stattfand.

[1] S2k-Leitlinie Lipödem: Diagnostik, Differenzialdiagnostik und Therapie

Dr. Julia Middelhoff, Fachärztin für Viszeralchirurgie, Phlebologie und Lymphologie in Offenbach.

Trotz in letzter Zeit vermehrt auftretender Adipositas hat sich die Anzahl der Lipödempatientinnen in ihrer Praxis nicht erhöht, mit dieser Feststellung eröffnete Dr. Julia Middelhoff, Fachärztin für Viszeralchirurgie, Phlebologie und Lymphologie in Offenbach den Workshop. Gleichwohl muss genau zwischen den verschiedenen Krankheitsbildern differenziert werden, um ein Lipödem zu diagnostizieren, so die Fachärztin. Das wichtigste Kriterium dafür ist die Schmerzhaftigkeit der Patientinnen, die sich auch in der neuen, seit Januar 2024 geltenden S2k-Leitlinie Lipödem wiederfindet. Die Schmerzhaftigkeit ist allerdings ein subjektiver Parameter, und für Dr. Julia Middelhoff ist deshalb die genaue Schmerzanamnese absolut entscheidend: Wann und an welchen Stellen der Beine treten die Schmerzen auf? Ein entsprechend intensives Patientengespräch mit exakter Schmerzdifferenzierung ist daher für sie essenziell, zumal es ja keine standardisierten Schmerz-Untersuchungsmethoden für Patienten mit Lipödem gibt. In diesem Zusammenhang sind auch mögliche andere schmerzverursachende Krankheiten bzw. Symptome abzuklären. Lymphologie-Experte Oliver Gültig betonte, dass insbesondere die Abgrenzung des Lipödems gegenüber Lipohypertrophie entscheidend ist. Und in der Praxis von Dr. Julia Middelhoff zeigt sich häufig, dass viele schmerzhafte Beschwerden auch oft orthopädisch bedingt sind. Wichtig ist für sie deshalb immer ein Blick auf die Fußstellung der Patientin. Daneben sind auch rheumabedingte Beschwerden auszuschließen, ebenso wie Bandscheibenschäden, phlebologische Ursachen sowie psychosomatische Beschwerden.

Schmerzhaftigkeit ist das Schlüsselsymptom des Lipödems. Möglich sind Berührungs- oder Druckschmerz, Spannungs- und Schweregefühl oder auch Spontanschmerz.

Diagnostik bleibt schwierig und aufwendig

Auch wenn die Optik der Patientin gemäß der neuen Leitlinie nicht mehr zur Einstufung herangezogen werden sollte, für Dr.Julia Middelhoff können Körpergewicht und Körpergröße sowie Taillen-, Hüftumfang und BMI dennoch entscheidende Hinweise geben, und diese Faktoren bezieht sie zusätzlich zur Diagnose ein. Ihr Tipp zur Messung bei stark übergewichtigen Personen: Einfach die Patientinnen bitten, ihre Hände in die Taille zu stellen. Diese steuern dann automatisch die engste Stelle ihres Körpers an, und dort wird dann gemessen. Sie betont allerdings, dass alle ermittelten Messwerte nur Hilfsparameter sind, für die es auch keine exakten Entscheidungs- bzw. Standardwerte gibt, die 100-prozentig auf ein Lipödem schließen lassen würden. So bleibt die Diagnostik von Lipödemen schwierig und aufwendig, und deshalb ist an dieser Stelle einmal mehr die Aufmerksamkeit der Patientin gegenüber besonders wichtig.

Bei der Diagnose des Lipödems kommt der Aufmerksamkeit gegenüber der Patientin und ihres Schmerzempfindens besondere Bedeutung zu.

Kompressionstherapie: Fokus auf Flachstrick

Für das Therapiekonzept von Lipödempatientinnen sei eine umfassende Aufklärung besonders wichtig, betonte Dr.Julia Middelhoff. Dazu gehört für sie beispielsweise auch, keine unrealistischen Prognosen zur Gewichtsabnahme zu treffen und nicht mit den Hoffnungen der Patientinnen zu spielen. Der Fokus sollte vielmehr auf der Kompressionstherapie liegen, verbunden mit dem Hinweis, dass diese auch konsequent umgesetzt werden muss. Nach der neuen Leitlinie kann die Kompressionstherapie grundsätzlich mit Rund- oder Flachstrick erfolgen. Für Dr.Julia Middelhoff entscheiden jedoch der Umfang und die Fettgewebsvermehrung über die Art der Kompression. Sie berichtet, dass 90 Prozent ihrer Patientinnen aufgrund ihres Körperumfangs gar nicht mit Rundstrick versorgt werden können, so dass bei ihr Flachstrick die häufigste Versorgung darstellt. Auch der Stellenwert der manuellen Lymphdrainage hat sich bei einem reinen Lipödem nach der neuen Leitlinie geändert. Sie wird nun erst verordnet, wenn die Schmerzreduktion durch die Kompressionstherapie nicht ausreichend ist.

Physiotherapeut und Lymphologie-Experte Oliver Gültig.

Patientenkommunikation: Eigeninitiative stärken, positives Feedback geben

Generell können die Patientinnen in der Regel sehr gut therapiert werden, in Kombination mit dem nötigen Maß an Eigeninitiative, so die Einschätzung von Dr. Julia Middelhoff. Die Patientinnen mitnehmen, aufklären und mitmachen lassen, lautet deshalb ihre Devise. Und hinsichtlich der Kompressionstherapie empfiehlt sie, in Zusammenarbeit mit dem Sanitätsfachhandel erst einmal nur eine Art der Versorgung auszuprobieren und davon das klare Feedback der Patientin einzuholen. Wichtig ist es dabei, ihnen auch positives Feedback zurückzugeben. Daneben hilft auch oft der Verweis an Selbsthilfegruppen, wo die Patientinnen dann mit anderen Betroffenen noch mehr Eigeninitiative und Selbstmanagement entwickeln können.

Die Wichtigkeit der exakten Diagnostik betonte auch der Lymphologie-Experte Oliver Gültig. Aus seiner Sicht als Physiotherapeut ist bei der Lipödemtherapie die manuelle Lymphdrainage eher selten nötig. Essenziell dagegen ist die Kompressionstherapie. Deren Erfolg wird maßgeblich gesteigert durch eine Umstellung der Ernährung, die langfristige Gewichtsabnahme sowie die psychologische Betreuung während der Therapie.

Die Kompressionsversorgung VenoTrain® curaflow unterstützt die Linderung von Spannungsschmerzen und fördert den Abtransport von Flüssigkeit im Gewebe, wodurch weiteren Einlagerungen und Verhärtungen entgegengewirkt wird.

Quelle:

Bauerfeind-Workshop „Lipödempatienten erkennen & schnell therapieren“ anlässlich der 66. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie und Lymphologie, Freiburg im Breisgau, 03.10.2024

Bilder: Thomas Hauss, Bauerfeind AG, Adobe Stock


Mehr zum Thema:

Bauerfeind Talks Podcast: Leitliniengerechte Versorgung von Lymphödem und Lipödem (Fotos: Rainer Kraus)

Bilder Dr. Julia Middelhoff: Rainer Kraus

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