Kompressionsstrümpfe·Venenbeschwerden
„Wo ein Wille ist, da ist auch ein passender Strumpf“
Kompressionstherapie aus Arztsicht
Von Bauerfeind Life Magazin

Hat sich die Akzeptanz der Kompressionstherapie in den vergangenen Jahren verändert? Wie lässt sich die Compliance verbessern? Darüber sprach life mit Prof. Dr. med. Anke Strölin, Leiterin des Bereichs Dermatologische Angiologie/Phlebologie der Universitäts-Hautklinik Tübingen, und Dr. med. Erika Mendoza, Leiterin der Venenpraxis Wunstorf. Die beiden sind sich einig: Aufklärung ist der Schlüssel zum Erfolg.
Wie hat sich der Stellenwert der Kompressionstherapie innerhalb der vergangenen 20 Jahre entwickelt?
Prof. Dr. Strölin: Die Kompressionstherapie hat enorm an Bedeutung gewonnen. Zudem ist die Sensibilisierung der Bevölkerung für das Krankheitsbild der chronisch venösen Insuffizienz (CVI) heutzutage viel ausgeprägter. Über operative Verfahren sind die Patienten oft schon gut informiert, aber welche vielfältigen Versorgungsmöglichkeiten es bei Kompressionsstrümpfen gibt, ist in der Regel nicht bekannt.
Dr. Mendoza: Ich bin seit 17 Jahren phlebologisch tätig. Das Spektrum hat sich von der reinen Krampfaderbehandlung zur Behandlung aller Formen von Beinschwellungen erweitert. Bei immer mehr Patienten ist eine Kompressionstherapie angezeigt. Und in Zeiten immer stärker steigender BMI-Werte wird das sicher noch zunehmen. Ich habe inzwischen in meine Diagnosen das „Adipositas bedingte Lymphödem“ aufgenommen.
Mit welchen Beschwerden kommen die Patienten zu Ihnen?
Prof. Dr. Strölin: In der Regel haben die Patienten Beschwerden in Form von Ödemen oder auch bereits stauungsbedingten Hautveränderungen. Sofern keine Kontraindikationen bestehen, werden sie alle mit einem Kompressionsstrumpf versorgt. Es kommen aber auch viele junge Frauen, die eine familiäre Belastung bezüglich einer Varikose haben, um ihre Venen untersuchen zu lassen. Häufig finden wir hier bereits Insuffizienzen im Venensystem, ohne dass die Patienten über Beschwerden klagen. Auch ihnen verordne ich je nach Befund Kompressionsstrümpfe. Darüber hinaus bin ich ein großer Verfechter der Kompressionstherapie in der Schwangerschaft. Fast alle Schwangeren klagen in unterschiedlichem Ausmaß über Schwellungen, Schweregefühl und Spannungsschmerzen in den Beinen. Ein Großteil dieser Symptome lässt sich durch eine Kompression verbessern – und nebenbei haben wir auch noch den Effekt zur Prophylaxe einer Thrombose. Diese zählt auch heute noch zu den häufigsten Todesursachen in der Schwangerschaft.
Unterscheidet sich die Akzeptanz der Kompressionstherapie je nach Patientengruppe?
Dr. Mendoza: Primär ja, wobei jede dieser Gruppen wiederum eigene Vorbehalte gegenüber Kompressionsstrümpfen hat. Jung: weil es „alt und krank“ aussieht, Alt: weil es so schwer anzulegen ist, Frau: weil es so unmodisch ist, Mann: weil man eigentlich den ganzen Firlefanz nicht möchte. Gegen jedes dieser Argumente gibt es wundervolle Gegenargumente. Modisch, Farbe, Muster oder Strümpfe, die wie Herrensocken aussehen? Kein Problem. Anlegeschwierigkeiten? Anziehhilfen und unter bestimmten Voraussetzungen Klasse I statt II … Es ist reine Aufklärungssache. Sprich, wo ein Wille ist, da ist auch ein passender Strumpf!
Prof. Dr. Strölin: Wenn Patienten einen hohen Leidensdruck haben, ist auch die Akzeptanz hoch. Bei leichteren Venenleiden wird es schon schwieriger, zumal etliche Patienten bei Kompressionsstrümpfen immer noch den beigen „Omastrumpf“ im Kopf haben. Für viele ist es ein richtiges Aha-Erlebnis, wenn ich ihnen verschiedene Strumpfmuster zeige. Diese in der Sprechstunde griffbereit zu haben, ist extrem hilfreich.
Was macht für Sie einen guten Kompressionsstrumpf aus?
Dr. Mendoza: Dass er den Druck hält und dass er nicht schnell kaputtgeht. In den letzten Jahren haben die Strumpfhersteller viel für die Compliance getan. Beispielsweise durch verschiedene Modelle oder Anpassungen der Bündchen – besonders am Kniestrumpf –, damit der Strumpf angenehmer zu tragen ist. Auch wenn sich diese Punkte nicht primär auf die medizinische Wirksamkeit beziehen, steigern sie die Akzeptanz und damit doch wiederum die Wirksamkeit.
Prof. Dr. Strölin: Ein guter Strumpf lässt sich leicht anziehen, schnürt nicht ein und rutscht nicht. Die Haut trocknet darunter nicht zu sehr aus, schwitzt aber auch nicht zu stark. Die Symptome verschwinden bzw. verbessern sich unter der Kompression. Sprich: Druck, Material und Stiffness passen optimal zum Patienten. Zusätzlich sollte der Strumpf modisch und pflegeleicht sein.Der VenoTrain micro ist deshalb sehr beliebt. Er ist extrem weich, lässt sich gut anziehen und man schwitzt eben nicht so drunter. Zudem ist er auch optisch sehr ansprechend. Viele Patienten lassen sich damit gut versorgen, man muss aber auch seine Grenzen kennen.Generell kann man sagen, dass sich die Qualität aller Kompressionsstrümpfe in den vergangenen Jahren enorm weiterentwickelt hat. Die Strümpfe sind angenehmer vom Gestrick, leichter anzuziehen und lassen durch ihre unterschiedlichen Qualitäten, Ausführungen und Farbpaletten so gut wie keine Wünsche offen.
Von welchen Problemen mit den Strümpfen berichten Ihnen die Patienten am meisten?
Dr. Mendoza: Das häufigste Problem sind die Vorurteile. „Bei der Nachbarin kniff das Bündchen“, „Die Oma hat ihn gar nicht erst angezogen bekommen“, „Mein Hausarzt hat gesagt, ich dürfe ihn nicht länger tragen, weil ich mich daran gewöhne“. Wenn der Patient den Strumpf – und zwar einen auf seine Bedürfnisse angepassten und gut sitzenden – am Bein hat, sind diese Probleme in der Regel nicht mehr vorhanden. Es bleibt lediglich die trockene Haut, für die man jedoch – durch Hautpflege – entsprechende Abhilfe anbieten kann.
Wie klären Sie Ihre Patienten über das Hilfsmittel auf?
Dr. Mendoza: Ich erläutere ihnen ausführlich, warum ich den Kompressionsstrumpf aufschreibe und was ich davon erwarte. Selbstverständlich sind auch das Anlegen der Strümpfe und die Hautpflege ein Thema. Was die Compliance sehr steigert, ist übrigens, wenn der Arzt am eigenen Bein zeigt, wie so ein Strumpf aussieht. „Ach, das ist ja gar nicht so festes Material“ oder „Schnürt ja gar nicht ein“ – diese Reaktionen räumen binnen Sekunden Vorurteile aus. Aber auch Hinweise des Arztes wie „Leistungssportler, zum Beispiel Marathonläufer, tragen die Strümpfe beim Sport. Wenn Kompressionsstrümpfe den Beinmuskeln schaden würden, würden die Sportler das gewiss nicht tun“ sind hilfreich – dies ist einer der schönsten Überzeuger in meiner Sprechstunde.
Prof. Dr. Strölin: Ich argumentiere häufig mit dem Verlauf der Erkrankung, ohne Angst zu machen. In der Regel male ich die Venen auf und demonstriere die Funktion der Venenklappen und der Muskelpumpe. Dann male ich auf, was der Strumpf bewirkt. Das leuchtet den meisten Patienten ein. Je nach Stadium informiere ich zudem über Zeiten ohne Strumpf, über Vor- und Nachteile verschiedener Ausführungen, über das Anziehen mit Handschuhen und über die Hautpflege mit harnstoffhaltigen Cremes und Salben. In der Regel schaue ich mir die Mobilität des Patienten beim An- und Ausziehen an. Hierbei kann ich häufig schon einschätzen, ob und welche Anziehhilfe der Patient benötigen könnte. Bei den meisten Patienten reicht eine einfache Anziehhilfe wie der VenoTrain glider. Patienten, die stark in der Mobilität eingeschränkt sind, profitieren von Systemen wie dem VenoTrain glider plus. Leider wissen nicht alle niedergelassenen Kollegen, dass eine Anziehhilfe – wie die Kompressionsstrümpfe selbst – das ärztliche Budget nicht belasten.Gerne möchte ich noch einmal betonen: Die Aufklärung der Patienten ist der Schlüssel zum Therapieerfolg. Nur ein Patient, der über den Effekt der Strümpfe aufgeklärt ist, wird diese auch konsequent tragen. Die Verantwortung hierfür liegt beim verordnenden Arzt.
Wie stellen Sie die Weiterversorgung durch nachfolgende Ärzte sicher?
Dr. Mendoza: Als Erstverordnerin versuche ich immer, in meinem Brief an den Hausarzt darzulegen, warum ich knie- oder schenkellang wähle, sowie ob der Strumpf täglich (zum Beispiel zur Thrombosetherapie) oder bei Bedarf (etwa zur Beschwerdelinderung) getragen werden sollte und was ich mir davon erwarte. Natürlich liegt es dann am Patienten, ob er die Empfehlungen umsetzt. Bei einer Folgeverordnung sollte beachtet werden, ob der Patient mit dem Kompressionsstrumpf, so wie er ihn hatte, auch gut klarkam. Konnte er ihn anlegen und ausziehen? Hat er auf den Haftrand reagiert? Benötigt er eventuell eine andere Haftrandausführung oder gar ein anderes Modell (zum Beispiel Strumpfhose statt schenkellang)? Ist das Material möglicherweise zu weich und schnürt am Knöchel ein? In diesem Fall sollte – auch wenn das dem Patienten zunächst widersprüchlich erscheint – eine Versorgung mit einem „härteren“ Material erfolgen, das in der Regel weniger am Knöchel oder in der Kniekehle einschnürt. Das Motto lautet: Nur ein getragener Strumpf hilft. Daher muss alles dadrangesetzt werden, dass der Strumpf vom Patienten als angenehm empfunden wird. Und das ist nicht nur Aufgabe des Versorgers, sondern auch des Verordners.
Prof. Dr. Strölin: Erläuterungen für den weiterbehandelnden Kollegen sind in der Tat sehr wichtig. Fatal ist es, wenn ein Strumpf in der Folgeverordnung ohne Kontrolle einfach nach den Maßen der Erstversorgung bestellt wird. Generell kommt dem Anmessen, ob digital oder per Hand von erfahrenem Fachpersonal, eine große Bedeutung zu. Ein nicht gut sitzender Strumpf wird auch nicht getragen.
Bilder: Udo Schönewald, privat
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