Kompressionsstrümpfe·Venenbeschwerden

Venen, Arterien und der richtige Druck

Zwischen Gefäßchirurgie und konservativer Therapie

Von Bauerfeind Life Magazin

Kurz & knapp Kompression ist unverzichtbar in der Therapie von Gefäßkrankheiten, sowohl wenn Venen als auch Arterien betroffen sind. Oberarzt Dr. med. Dr. med. univ. Dominic Mühlberger vom Gefäßzentrum der Ruhr-Universität Bochum beobachtet bessere Therapieeffekte in der konservativen Therapie wie auch postoperativ.

  • Kompressionsprodukte unterstützen den Heilungsverlauf nach einem Eingriff. Beispielsweise wird die Gefahr eines postthrombotischen Syndroms reduziert, nach einer Sklerosierung verbessert sich das Therapieergebnis.
  • Die niedrigst mögliche Kompressionsklasse kann die Compliance der Patienten verbessern.
  • Patienten legen Wert auf hohen Tragekomfort, etwa durch ein angenehmes Gestrick und eine große Auswahl an Strumpfarten.

Der Gefäßchirurg Dr. Dr. univ. Dominic Mühlberger ist Oberarzt am St. Josef-Hospital der Ruhr-Universität in Bochum. Im Interview mit Bauerfeind life spricht er über aktuelle Tendenzen in seiner Fachrichtung: Behandlungsansätze, die Bedeutung der Kompressionstherapie und die Entwicklung des Fachgebiets Phlebologie.

Dr. Dr. univ. Dominic Mühlberger, Oberarzt am St. Josef-Hospital der Ruhr-Universität in Bochum.

life: Wir befinden uns im Gefäßzentrum der Ruhr-Universität Bochum, eines der größten universitären Gefäßzentren in Deutschland. Was behandeln Sie hier?

Dr. Mühlberger: An unserem Standort in Bochum-Gerthe operieren wir hauptsächlich Krampfadern. Im dortigen interdisziplinären Venenzentrum gemeinsam mit der Dermatologie führen wir mehr als 2.000 operative und weitere 2.000 nicht-operative Therapien pro Jahr durch. Hier an der Uniklinik im St. Josef-Hospital machen wir die ganze arterielle Chirurgie und auch die größere venöse Chirurgie, also akute Beinvenenthrombosen, venöse Rekanalisation des tiefen Venensystems, aber auch das pelvine Stauungssyndrom. Wir operieren Aneurysmen im Bauch, Halsschlagadern nach einem Schlaganfall, wir machen Dialyse-Shunts und -Katheter und legen Ports für die Onkologie.

Wann setzen Sie Kompressions­produkte für eine Therapie ein?

Dr. Mühlberger: Kompression ist für uns ein ganz wichtiger Begleiter in der Gefäßchirurgie. Patienten mit Krampfadern oder Ödemen bekommen beispielsweise eine Kompressionstherapie empfohlen. Beispiel Thrombose-­therapie: Eine adäquate Kompressions­therapie hilft dem Körper, den Thrombus schneller aufzulösen, es gibt weniger Ob­-
struktionen. Das ist wichtig, denn die verbliebene Venenobstruktion ist ein Gradmesser für ein mögliches postthrombotisches Syndrom. Oder in der arteriellen Chirurgie: Wenn wir etwa eine arterielle Revaskularisation durchführen, wie beispielsweise einen Bypass von der Leiste bis zum Knie, dann kommt es bei vielen Patienten zu einem Revaskularisationsödem.

Welches sind die postoperativ feststellbaren Effekte von Kompression?

Dr. Mühlberger: Postoperativ können wir sagen, dass Patienten nach einer Krampfader-OP von einer Kompressionstherapie profitieren. Wir haben weniger Hämatome, das ist für uns das Hauptsächliche, und wir sehen weniger Schwellneigung. Bei Patienten nach einer Sklerosierung tritt weniger Hyperpigmentierung auf und der Therapieerfolg der Sklerosierung ist besser.

Gibt es einen Wandel der Therapieansätze?

Dr. Mühlberger: Ganz klar. Als ich zu arbeiten begonnen habe, galt die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) als absolute Kontraindikation für eine Kompression. Mittlerweile wissen wir durch Studien, dass die arterielle Durchblutungsstörung im Bein nicht unbedingt – oder nur bei fortgeschrittener AVK – eine Kontraindikation für eine Kompressionstherapie ist. Ist beispielsweise der Knöchel-Arm-Index über 0,5 bzw. der absolute Knöchelarteriendruck > 60 mmHg, darf man Kompressionstherapie noch anwenden.

Wie nehmen Ihre Patienten die Kompressionstherapie an?

Dr. Mühlberger: Die Patienten sind aufgeklärter und hinterfragen auch kritischer. Man muss also viel erklären, um ein Compliance-Problem zu vermeiden. Patienten mit postthrombotischem Syndrom sagen aber auch, dass es ohne Kompression gar nicht ginge. Entscheidend ist, dass die Therapie an den Patienten angepasst ist. Früher war Kompressionsklasse 2 der Standard. Heute individualisiert man mehr und nimmt die niedrigste wirksame Kompressionsklasse. Es ist doch besser, ein Produkt der Klasse 1 zu tragen als eines der Klasse 3 nicht zu tragen. Deshalb ist es auch so begrüßenswert, dass die Hersteller da sehr aktiv sind und beispielsweise das Gestrick und damit den Komfort verbessern.

Sie arbeiten derzeit an Ihrer Habilitationsschrift. Worum geht es?

Dr. Mühlberger: Ein rein venöses Forschungsgebiet. Es geht um die Anatomie wie auch um funktionelle Therapiemöglichkeiten an der sapheno-femoralen Mündung. Die Fragestellung ist, ob man bei einer Krampfader-OP die Hauptvene retten kann. Die Venenklappenreparatur ist ein Verfahren, in dem durch Ummantelung der Vene von außen deren Durchmesser reduziert wird. Man kann dann die Vene erhalten für spätere Verwendungen, denn diese Vene ist für Gefäß- und Herzchirurgen wichtiges körpereigenes Bypassmaterial.
Zeichnet sich ab, was künftig in der Phlebologie und in der Kompressionstherapie wichtig wird?
Dr. Mühlberger: Da gibt es einiges, wie die exakte Dauer einer Kompressionstherapie nach varizenchirurgischen Eingriffen, venösen Thrombosen oder nach arteriellen Revaskularisationen, Kompression beim diabetischen Fußsyndrom, bei neuropathischen Patienten. Künftig wird da noch vieles interessant.

Sie engagieren sich in der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie. Welche Themen liegen Ihnen am Herzen?

Dr. Mühlberger: Das Schöne an der Phlebologie ist, dass sie ein interdisziplinäres Fachgebiet ist, da sind beispielsweise Allgemeinärzte, Internisten, Chirurgen, Dermatologen und Gefäßchirurgen tätig. Es gibt verschiedene Sichtweisen, das hält das Fach lebendig. Wir richten einmal jährlich eine Jahrestagung aus und wir organisieren Fortbildungen wie beispielsweise Operationskurse.
Eine wichtige Aufgabe ist die Leitlinienarbeit, beispielsweise für Krampfadern, Lipödem, Ulcus cruris, also alles, wo Kompression eine Rolle spielt. Das machen wir in Zusammenarbeit mit anderen Fachgesellschaften. Ich persönlich bringe mich ein in die Arbeitsgemeinschaft Varizenchirurgie.

Findet die Phlebologie ihren Nachwuchs?

Dr. Mühlberger: Ja, wir haben im Augenblick keine Nachwuchssorgen. Viele junge Kollegen engagieren sich bei den „Jungen Phlebologen“, auch Studenten. Wir bieten ihnen spannende Fälle, wir haben viele Forschungsbereiche und gehen dann aktiv auch auf junge Kollegen zu und sagen: Du könntest doch einen Vortrag einreichen für diesen oder jenen Kongress oder unsere Jahrestagung. Wir sind glücklicherweise eine wachsende Gesellschaft.

Bilder: Katholisches Klinikum Bochum, istockphoto.com/loveguli

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