Kurz & knapp Wer sich verletzt, kann keine Leistung bringen. Deshalb legt der Orthopäde und Mannschaftsarzt Dr. Björn Andreß bei der Betreuung der Bundesliga-Basketballer der EPG Guardians Koblenz großen Wert auf Primärprävention. Er sieht darin einen wichtigen Teil im Trainingsplan, um im Profisport dauerhaft Spitzenleistung abrufen zu können. Zur Prophylaxe von Verletzungen können auch Hilfsmittel beitragen. Ohne Sprunggelenksbandage geht keiner der „Guardians“ ins Spiel und auch Kompressionsprodukte und Einlagen hat die Mannschaft immer dabei. Im Interview mit Dr. Björn Andreß wird deutlich, was gut konzipierte Prävention bringt: Sie eröffnet Chancen auf eine erfolgreiche und gesunde Sportlerkarriere.
Bandagen·Gelenkschmerzen·Sportverletzungen
Fit für den Kader – stabil in der Saison
Primärprävention im Leistungssport
Von Bauerfeind Life am 13.01.2025

Prävention ist Teil des Trainingsplans, sagt Dr. med. Björn Andreß über seine Arbeit als Mannschaftsarzt. Der Orthopäde betreut am Gelenkzentrum Mittelrhein (GZMR) unter anderem die Bundesliga-Basketballer der EPG Guardians Koblenz. Beim medizinischen Check-up der Spieler erzählt er, was Anamnese und Leistungsdiagnostik verraten und wie Bandagen, Kompressionsstrümpfe und Einlagen dazu beitragen, dass Sportler nicht nur fit, sondern auch langfristig einsatzbereit bleiben.

Wenn wie heute Nachwuchsspieler der Guardians zum Check-up kommen, was steht dann auf dem Programm?
Dr. Andreß: Wir untersuchen die jungen Sportler, erheben ihren aktuellen Leistungsstatus und klären auf. Orthopädisch betrachten wir die Wirbelsäule, alle Gelenke und insgesamt die Beweglichkeit. Wir sehen nach Einschränkungen, prüfen die Muskulatur und achten auf Dysbalancen. Die Spieler durchlaufen eine Reihe von funktionellen Tests, um zu schauen, wo gibt es Seitenasymmetrien und wo bestehen Defizite in Schnelligkeit und Koordination, die beim Entstehen von Verletzungen eine Rolle spielen könnten. Für den internistischen Part kommen zwei Kollegen hinzu, Dr. Jan-Eric Goronzy und Dr. Felix Post.

Sie prüfen die Herz- und Lungenfunktion und zusammen machen wir eine umfangreiche Anamnese. Wir fragen nach früheren Verletzungen, Vorerkrankungen, selbst nach Augen- oder Zahnerkrankungen – alles, was medizinisch relevant werden und einen längeren Ausfall in der Saison bedeuten könnte. Wir informieren zu Anti-Doping-Auflagen und dass die Spieler Medikamente, selbst Nahrungsergänzungsmittel, vor Einnahme anmelden und Rücksprache halten müssen.

Viel Prävention also in der sportmedizinischen Betreuung …
Dr. Andreß: Hauptaufgabe ist sicher die Behandlung von Verletzungen und Erkrankungen, die im Training und Wettkampf auftreten, aber Prävention spielt eine große Rolle. Ebenso die mentale Begleitung. Wir sind in engem Austausch mit dem Trainerteam, den Physiotherapeuten, Sportwissenschaftlern und arbeiten mit an trainingsseitigen Maßnahmen. Wir sehen die Spieler fest vor der Saison, in der Saisonpause, zum Saisonabschluss und immer bei Bedarf, erheben dabei den aktuellen Status und erstellen ein individuelles Programm, um Verletzungen vorzubeugen und die Leistung zu verbessern.
Paul Baitzel vom Perspektivkader sitzt gerade hinter Ihnen auf dem Ergometer. Worauf achten Sie bei einem jungen Spieler wie ihm?
Dr. Andreß: Paul ist 16 Jahre alt und noch im Wachstum. Bei der Spiroergometrie messen wir seine körperliche Leistungsfähigkeit über ein EKG und die Atemgase. Deshalb trägt er auch die blaue Atemmaske. So sehen wir beim Steigern der Wattzahl, wann er vom aeroben in den anaeroben Bereich wechselt, können beurteilen, wie fit er ist und sein Training für die erste Profisaison planen. Weil sein Herz-Kreislauf-System und Skelett noch nicht voll entwickelt sind, müssen wir besonders auf Überlastungsschäden aufpassen und arbeiten im Gegensatz zu ausgewachsenen Sportlern eher im aeroben Bereich, um die Grundlagenausdauer zu trainieren.

Warum ist die Grundlagenausdauer wichtig?
Dr. Andreß: Sie ist die Basis für eine gute Primärprävention. Beim Basketball dominieren zwar kurze Sprints, aber je besser die Grundlagenausdauer der Spieler ist, umso besser können sie die intensiven Belastungen des Hallensports ausgleichen und während eines Spiels in den Pausen regenerieren. Das senkt entscheidend das Risiko für Verletzungen wie Distorsionen und für in der Altersgruppe typische Erkrankungen wie das Patellaspitzensyndrom.
„Grundlagenausdauer ist die Basis für eine gute Primärprävention.“
Dr. Björn Andreß
Hat Primärprävention insgesamt an Bedeutung gewonnen?
Dr. Andreß: Ja, in den letzten Jahren hat sich das richtig entwickelt und als fester Bestandteil im Trainingsplan etabliert – allein schon durch die Vorgaben der Verwaltungsberufsgenossenschaft VBG und wegen des wirtschaftlichen Aspekts langer Ausfallzeiten im Profisport. Es gibt eine Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen zur Primärprävention, je nach Studienlage kann ein bis zu 50 Prozent geringeres Verletzungsrisiko nachgewiesen werden. Kreuzbandverletzungen beispielsweise lassen sich sehr gut verhindern. Auch wir vom GZMR unterstützen aktuelle Forschungsprojekte und kooperieren mit der Sporthochschule Köln. Aktuell läuft eine Studie mit von uns betreuten Sportlern. Sie untersucht, wie Stabilitätsdefizite, die nach Sprüngen in der Landephase gemessen wurden, durch speziell konzipierte Trainings positiv beeinflusst werden können.
Welche Rolle spielen Hilfsmittel in der Verletzungsprophylaxe?
Dr. Andreß: Wir haben verpflichtend eingeführt, dass alle Spieler der Guardians während des Trainings und im Spiel Sprunggelenkbandagen tragen. Evidenzbasiert reduziert das deutlich die Häufigkeit und Schwere von Bandverletzungen, dem größten Problem im Basketball. In der NBA[1] müssen daher alle Spieler „gebraced“ spielen. Da ist zunächst der propriozeptive Effekt der Kompression, der die Koordination verbessert. Aber es gibt auch einen mechanischen Effekt: Im Falle eines Umknickereignisses ist die Belastung der Bänder meist geringer und eine mögliche Verletzung fällt in der Regel weniger schwer aus. Die individuelle Versorgung der Spieler mit Hilfsmitteln stellt der Verein.
[1] National Basketball Association, die Basketball-Profiliga in Nordamerika

Und wie nehmen die Sportler diese Maßnahme an?
Dr. Andreß: Anfangs gab es Befürchtungen wegen Bewegungseinschränkungen, aber die heutigen Bandagen überzeugen meist sofort vom Gegenteil. Die Spieler sind mit ihnen voll beweglich, die Materialien sind atmungsaktiv und es gibt kein Fremdkörpergefühl. Was der Verein außerdem fördert und wir empfehlen, sind Kompressionsstrümpfe für die Durchblutung, zum Beispiel bei langen Busfahrten nach Auswärtsspielen. Dann tragen alle mittlerweile auf eigenen Wunsch Kompressionsstrumpfhosen, um den Blutrückfluss und die Regeneration der Muskulatur zu unterstützen. Die Spieler werden auch mit verschiedenen Einlagen versorgt. Zum einen mit Einlagen angepasst an den normalen Straßenschuh, die stützen und weich betten. Zum anderen mit Carbon-Einlagen für den Sportschuh, die den Mittelfuß unterstützen und die Sprungkraft verbessern können.
„Je nach Studienlage kann bei Primärprävention ein bis zu 50 Prozent geringeres Verletzungsrisiko nachgewiesen werden.“
Dr. Björn Andreß
Wie effektiv sind Check-up, individuelles Training und Hilfsmittel im Verbund?
Dr. Andreß: So effektiv, dass alle Guardians aktuell in der Primärprävention sind und keiner in der Sekundärprävention. Es gab in der aktuellen Vorbereitung keine schweren Verletzungen und alle können aufs Spielfeld. Die Leistungsförderung darf im Vordergrund stehen anstelle von aufwendiger Rehabilitation mit sensiblem Erwartungsmanagement. Mir als Orthopäde zeigt das einmal mehr die Chancen durch sinnvolle Prävention – für den Leistungssport, aber auch darüber hinaus für den Breitensport.
Bilder: Stefan Durstewitz
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