Arthrose·Orthesen

»Effekte machen nur Sinn, wenn sie helfen«

Evaluationsstudie zur Coxa Train

Von Bauerfeind Life Magazin am 16.06.2021

Kurz & knapp Hannah Steingrebe vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) leitet die Studie zur Evaluation der neuen Orthese CoxaTrain mit Hüftarthrose-Probanden.

  • Die Auswirkungen der CoxaTrain auf das Gangbild stehen im Mittelpunkt der Studie als Schlüssel zum Therapieerfolg für den Patienten.
  • Einschränkungen des Gehvermögens, des propriozeptiven Empfindens und der funktionellen Kapazitäten im Alltag werden im Studiendesign untersucht.
  • Um das komplexe biomechanische Geschehen abzubilden, werden präzise Messsysteme und Modelle zur Berechnung von Gelenkkinematik und –dynamik sowie ein Gelenkwinkelreproduktionstest angewandt.

Wie wandelt die Coxa Train die Dynamik und Kinematik im Hüftgelenk? Hannah Steingrebe, Bewegungswissenschaftlerin und Studienleiterin am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), untersucht die veränderte Biomechanik bei Hüftarthrose. Dabei betrachtet sie den Einfluss der neuen Orthese auf das Gangbild.

Studienleiterin Hannah Steingrebe vom
Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

life: Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrer Studie?

Hannah Steingrebe: Uns interessieren die Einschränkungen der Probanden in ihrem Gehvermögen, ihrem propriozeptiven Empfinden und in ihren funktionellen Kapazitäten im Alltag. Zudem wollen wir die Änderungen bzw. Effekte bei der Applikation der Coxa Train aufdecken, unter anderem im Gangbild. Dazu untersuchen wir die klinisch relevante Coxarthrose – mit eindeutigen Ein- und Ausschlusskriterien für eine homogene Stichprobe und einem klar definierten Studiendesign. 

Was ist bisher beim Gangbild bekannt – ohne und mit Orthesen?

Hannah Steingrebe: Man weiß, dass bei Coxarthrose der Bewegungsradius im Hüftgelenk geringer ist als bei Gesunden. Das Bein kann nicht mehr ausreichend gebeugt oder gestreckt werden, es schwingt beim Gehen nicht vollständig aus. Schwung- und Standphasen sind aufgrund der Schmerzen zeitlich verkürzt. Um das auszugleichen, neigt sich das Becken permanent nach oben und zur Seite, mit den bekannten Folgen für die ISG-Region. Der Betroffene hinkt. Was mich überrascht hat: Es gibt, anders als am Knie, nur wenige Orthesen für die Hüfte. Die Studienlage zur Wirkung von Orthesen auf das Gangbild ist dementsprechend sehr dünn – und mit wenigen biomechanischen Analysen und oftmals kleinen Stichproben. Die Interpretation von biomechanischen Effekten macht ja nur dann Sinn, wenn sie dem Patienten helfen, das heißt wenn er sie zum Beispiel auch als Schmerzreduktion oder Funktionsverbesserung wahrnehmen kann.

Wie tragen Sie in der Studie dem komplexen biomechanischen Geschehen bei Arthrose Rechnung?

Hannah Steingrebe: In vielen von Ar­tho­se affizierten Strukturen befinden sich Mechanorezeptoren. Um zu erkennen, inwieweit eine eventuell gestörte Propriozeption mitverantwortlich für Änderungen im Gangbild ist, fragen wir beispielsweise mit einem Gelenkwinkelreproduktionstest die Eigenwahrnehmung der Probanden ab. Wenn ich nicht präzise wahrnehmen kann, in welcher Stellung mein Gelenk ist, kann ich es muskulär auch schlechter steuern. Dazu werden wir auch Ergebnisse von Alltagsbewegungen wie Treppen steigen und Kurven gehen mit der Coxa Train auswerten, wobei wir nicht nur das Hüftgelenk, sondern auch die angrenzenden Gelenke mit berücksichtigen. Arthrose ist kein isolierter Vorgang, deshalb bedarf es mehrstufiger Untersuchungsverfahren, präziser Messsysteme und aktueller Modelle zur Berechnung der Gelenkkinematik und -dynamik. 

Und einer entsprechenden Orthese?

Hannah Steingrebe: Das wird sich zeigen. So viel kann ich aber schon sagen: Ein Compliance-Problem gab es bisher im Verlauf unserer Testphase nicht.

Beschwerdefrei im Tagesablauf 

Wolfgang Klein, Elektroingenieur, Freizeitwalker und Proband der Coxa Train-Studie am KIT

life: Sie sind Coxarthrose-Patient. Wie verlief Ihre Erkrankung?

Wolfgang Klein: Meine Arthroseschmerzen in den Knien und Fingern hatte ich mit Bewegung und Ernährung lange gut im Griff. Bis Anfang 2018 spontan starke Schmerzen in der rechten Hüfte begannen. Sie strahlten bis ins Bein aus und ich konnte zeitweise fast nicht laufen. Die Ärzte stellten Coxarthrose Grad 2 fest. Nach Physiotherapie und einer dreiwöchigen Reha waren meine Ruheschmerzen weg. Was aber blieb, ist ein leichtes Druckgefühl an der rechten Gesäßseite, sobald ich längere Strecken walke. 2019 ergab meine Untersuchung durch Prof. Sell für die Studie eine beidseitige Coxarthrose, rechts stärker als links, mit schmerzhafter Ausstrahlung in die Iliosakralgelenke. 

Wie war das Tragen der Coxa Train?

Wolfgang Klein: Während der Messungen hatte ich mit der Coxa Train beim Gehen, Treppensteigen und Um-die-Kurve-Gehen keine Probleme mit meiner rechten Hüfte. Während der sieben Testtage trug ich die Orthese jeweils mindestens acht Stunden und hatte beim üblichen Tagesablauf auch keine Beschwerden. Beim Walken und Wandern allerdings trat nach ein bis zwei Kilometern das bekannte Druckgefühl auf. Ich vermute auch wegen einer Schonhaltung. Als sehr gut empfand ich Passform und Komfort der Coxa Train. Auch das An- und Ablegen war einfach.

Ihr Eindruck von der neuen Orthese?

Wolfgang Klein: Grundsätzlich kann ich sagen, dass ich die Coxa Train bei Belastungen gut finde. Ich könnte mir vorstellen, wenn ich sie beidseitig trage, dass auch das Druckgefühl nicht mehr auftritt.

Bilder: Bauerfeind, www.kit.edu/IfSS/Patrick Langer, Udo Schönewald

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