Kurz & knapp: „Medizinische Forschung, neue Materialien und junge Technologien schenken uns die Möglichkeiten, ein bewährtes Produkt wie die LumboTrain weiterzuentwickeln“, sagt André Beck. Neu am Produkt ist seit vergangenem Jahr die viskoelastische Lumbalpelotte, über die der Leiter Entwicklung Orthopädie im Bauerfeind-Innovationscentrum (BIC) ausführlich im Interview spricht. Mit neuer Form, beweglichen Flügeln und den flexiblen, rückfedernden Noppen massiert und stimuliert die Pelotte das Gewebe punktuell. Das Ziel ist, den Körper aus seinen Schutzmechanismen herauszuholen und wieder in die Bewegung.
Bandagen·Rückenschmerzen
Ein Türöffner für mehr Bewegung
Entwicklung der neuen LumboTrain-Rückenpelotte
Von Bauerfeind Life am 13.02.2025

Die Bewegungstherapie gilt als eine der effektivsten Maßnahmen bei der Behandlung nicht-spezifischer Rückenschmerzen*. Lumbalbandagen unterstützen dabei. Sie entlasten durch zirkuläre Kompression und tragen über lokale Massage-Effekte dazu bei, die Schmerzreduktion zu beschleunigen. Herzstück ist die viskoelastische Pelotte, die bei der LumboTrain jetzt nicht mehr die klassische Herzform hat, sondern Flügel mit rückfedernden und flexiblen Noppen. André Beck, Leiter Entwicklung Orthopädie im Bauerfeind-Innovationscentrum (BIC), erzählt, warum die neue Pelotte einen therapeutischen Nutzen für Schmerzpatienten verspricht und welche Herausforderungen von der Idee bis zur Serienreife zu meistern waren.
Die LumboTrain ist seit kurzem mit neuer Lumbalpelotte auf dem Markt: Wie unterscheidet sie sich von der früheren Version und was ist geblieben?
A. Beck: Auch die neue Pelotte wirkt durch ihre Viskoelastizität. Unter dem Kompressionsgestrick liegt sie eng am Lendenwirbelbereich an und verformt sich bei Bewegung. Ihr Material wird komprimiert, weicht aus und geht wieder zurück. Der sanfte Wechseldruck massiert das Gewebe, fördert die lokale Durchblutung und aktiviert körpereigene Prozesse zur Schmerzreduktion und Stabilisierung. Bei der Vorgängerpelotte waren die hohen Noppen komplett aus viskoelastischem Gel, sehr flexibel und sind chaotisch mal in die eine, mal in eine andere Richtung ausgewichen, um zu stimulieren. Nach der Gate-Control-Theory aus der Schmerzforschung können diese Reize der Mechanorezeptoren Schmerzsignale von Nozizeptoren überlagern und so Linderung verschaffen. Diesen positiven Effekt nutzen wir weiterhin in der neuen Pelotte. Dazu wollten wir noch einen Schritt weitergehen und punktuell definiert stimulieren. Dafür haben wir flexible und rückfedernde Noppen entwickelt, bei denen unterschiedlich feste Komponenten im Gelmaterial integriert sind. Außerdem hat sich die Form der Pelotte verändert: Sie hat jetzt bewegliche Flügel.

Was passiert dann, wenn Patienten sich mit der Lumbalbandage bewegen?
A. Beck: Die gesamte Pelotte bewegt sich mit. Beim Gehen drehen wir unseren Oberkörper leicht ein, lehnen uns etwas nach vorn und nach hinten. Die wechselseitigen Bewegungen übertragen sich auf die Flügel der Pelotte. Sie folgen ihnen und die Pelotte hält so besser den Kontakt zur Haut und den myofaszialen Strukturen, an denen sie anliegt. Dadurch können auch die flexiblen und rückfedernden Friktionsnoppen besser stimulieren und auf Triggerpunkte einwirken. Neben Verspannungen gelten gerade diese Verhärtungen als Hauptursache für nicht-spezifische Rückenschmerzen.
Welche Strukturen werden durch die Pelotte angesprochen?
A. Beck: Vor allem die große Rückenfaszie, die Fascia thoracolumbalis mit ihren vielen Nozizeptoren und die oberflächliche Rückenmuskulatur. Von den Rückenstreckern wird der Musculus longissimus rechts und links entlang der Wirbelsäule stimuliert, aber auch Anteile der Hüftmuskulatur werden bei Bewegung angesprochen, da die unten ausgestellten Flügel über dem Musculus piriformis anliegen. Das Besondere ist die definierte Stimulation durch die Mehrkomponenten-Spritzguss-Technologie. Die flexiblen Noppen am oberen Ende der Pelotte üben bei Bewegung eine punktuelle Friktion aus. Die Noppen parallel zur Lendenwirbelsäule sind rückfedernd gelagert und spreizen sich nach außen auf. Dadurch wird die Haut leicht aufgedehnt und Mechanorezeptoren reagieren. Das führt zu neuromuskulären Prozessen, die helfen können, die Faszienstruktur zu lockern, damit Verklebungen und Triggerpunkte sich schneller lösen und die Muskeln sauber gleiten können.

Inwiefern kann das die Therapie unterstützen?
A. Beck: Ziel ist, den Körper aus seinen Schutzmechanismen herauszuholen und wieder in die Bewegung. Schmerzpatienten gehen meist in eine Schonhaltung, das bringt die Muskeln und Faszien jedoch weiter unter Spannung. Mit der Zeit verstärken sich aber ihre Schmerzen, chronifizieren schlimmstenfalls und die Beweglichkeit lässt insgesamt nach. Die zirkuläre Kompression der Bandage hilft ihnen zunächst, sich aufzurichten. Das entlastet die Lendenwirbel. Es findet eine erste Lockerung der myofaszialen Strukturen statt, die dadurch empfänglicher sind für schmerzlindernden Gegendruck und Dehnung. Die Wirkung durch die Pelotte ist dann ein Türöffner für mehr Bewegung, um die entlastenden Effekte zu verstärken, den Rückgang von Symptomen zu beschleunigen und zu mehr Stabilität zu verhelfen.
Woher kamen die Ideen für die Weiterentwicklung?
A. Beck: Die Wirbelsäule wird oft mit einem Schiffmast verglichen und die Rumpfmuskulatur mit den Tauen, die den Mast im Lot halten. Eine der größten Inspirationsquellen war daher die Physiotherapie und ihr Fokus auf die Verbesserung der Muskelfunktion. Verspannungslösende Techniken aus der manuellen Therapie wie Friktion und die Triggerpunktmassage haben Denkanstöße für die „Geometrie“ der Pelotte und ihrer Noppen gegeben. Ebenso bestimmte Taping-Praktiken mit und ohne Zug. Wir arbeiten eng mit einem Kreis medizinischer Berater zusammen, die Ideen wie diese bewerten und mit uns Erkenntnisse aus der Anatomie, Schmerzphysiologie und Faszienforschung diskutiert haben. Auch Ansätze aus der traditionellen chinesischen Medizin wie die Lehre von Meridianpunkten sind eingeflossen. Und nicht zuletzt unsere eigenen Erfahrungen bei der Entwicklung sensomotorisch wirkender Hilfsmittel. Die Zwei-Komponenten-Pelotte unserer Kniebandage GenuTrain hat uns gezeigt, dass Stimulation gezielter gestaltet werden kann, wenn man unterschiedliche Materialien miteinander verbindet und ihre Festigkeiten nutzt.
“Das Besondere an der Pelotte ist ihre definierte Stimulation myofaszialer Strukturen.”
André Beck
Wo lagen die Herausforderungen bei der Umsetzung?
A. Beck: In der technischen Machbarkeit der gewünschten Effekte bei Bewegung und diese genau regulieren zu können für die Serienproduktion. Mehrere Jahre Entwicklungsarbeit stecken in diesem Projekt, eine unserer anspruchsvollsten Teamleistungen. Wir haben mit Kunststoffen experimentiert und Verfahren ausgelotet, um zu erreichen, dass die Noppen sich bei Gegendruck in eine definierte Richtung bewegen und das Gewebe leicht aufdehnen. Für die Herstellung der Pelotte haben unsere Experten für Werkstofftechnik schließlich eine Sondermaschine konzipiert, damit das Zusammenspiel der Komponenten im Spritzguss stabil funktioniert. Herausfordernd war auch das Finetuning, also die Frage nach Bedarf und Compliance. Was wird letztlich von Schmerzpatienten toleriert und bedeutet keine Überstimulation?

Wie wurde die Wirkung getestet und wie verlief das Finetuning?
A. Beck: Rückenschmerz ist nicht gleich Rückenschmerz, die Stärke der Symptome variiert und wo es am meisten schmerzt, ist individuell verschieden. Wir haben mehrere Vergleichstests durchgeführt mit der Vorgängerpelotte und neuen Pelotte, von den Entwicklungsstufen bis zum serienreifen Endprodukt. Zuerst mit gesunden Probanden, danach sind wir in die Testung bei Patienten mit der Diagnose nicht-spezifischer Rückenschmerz gegangen. Für einen Querschnitt dieser heterogenen Gruppe haben wir Personen verschiedenen Alters, Geschlechts und jeweils unterschiedlicher Krankheitsdauer eingeschlossen. Bereits der erste Tragetest mit der neuen Pelotte bestätigte: Die Patienten haben signifikant weniger Schmerzen, sie sind beweglicher – und sie nehmen im direkten Vergleich eine Verbesserung wahr. Auf Basis der Rückmeldungen haben wir dann nochmal die Noppen angepasst, damit die Stimulation durchgehend als angenehm empfunden wird, auch bei höherer Schmerzempfindlichkeit.
“Wir wollen Rückenpatienten gezielter unterstützen, selbst etwas zu tun. Damit Bewegung Freude macht.”
André Beck
Warum braucht es Innovationen wie die neue Pelotte?
A. Beck: Weil sie eine Chance auf Verbesserung sind für die Patienten und für uns als Hersteller. Medizinische Forschung, neue Materialien und junge Technologien schenken uns die Möglichkeiten, ein bewährtes Produkt wie die LumboTrain weiterzuentwickeln. Mit der neuen Pelotte wollen wir Rückenpatienten gezielter unterstützen, sich zu bewegen und selbst etwas zu tun. Sowohl gegen ihre Schmerzen als auch gegen die wahrscheinlichen Ursachen ihrer Schmerzen. Damit sie wieder in ein natürliches Gleichgewicht kommen und Bewegung Freude macht.
LumboTrain zur Entlastung der Lendenwirbelsäule
Die LumboTrain mit neuer Rückenpelotte ist seit Mai 2024 auf dem Markt. Passend zur Körperform wird die Kompressionsbandage als gerade geschnittene Variante (straight) und als tailliert geschnittene Variante (waisted) angeboten. Mehr erfahren

Bilder: Andreas Wetzel, Bauerfeind AG
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