Orthesen·Osteoporose

Der stillen Volkskrankheit Gehör verschaffen

Diagnostik und Therapie der Osteoporose

Von Bauerfeind Life Magazin am 22.06.2023

Kurz & knapp Rund fünf Millionen in Deutschland leben mit einer Osteoporose, bei vielen wird der Knochenabbau jedoch erst erkannt, wenn es zu einer Fraktur gekommen ist. Dabei ließe sich Osteoporose durchaus behandeln, umso besser, je früher die Diagnose erfolgt.

  • Mittlerweile sind zahlreiche Risikofaktoren für Osteoporose bekannt; dies sind wichtige Ansatzpunkte für eine frühzeitige Erkennung des Abbauprozesses.
  • Ernährung und Bewegung sind wertvolle Maßnahmen, mit denen Patientinnen die Therapie aktiv unterstützen können.
  • Pro Jahr kommt es zu etwa 380.000 osteoporotischen Frakturen, vornehmlich an der Wirbelsäule, am Oberschenkelhals und an der Schulter. Der Erhalt der Mobilität und die Verhinderung von Pflegebedürftigkeit sind das wichtigste Therapieziel.
  • Orthesen geben Sicherheit und sind wichtig, um nach einem Sturz die Angst vor einer erneuten Fraktur zu verringern. Die durch eine Orthese verbesserte Körperhaltung wirkt sich günstig auf Atmung und Verdauung aus.

Viele Menschen ahnen nichts von ihrer Osteoporose-Erkrankung – bis es zu einer Fraktur kommt. Dabei sind rund 80 Risikofaktoren bekannt und zunehmend mehr Ärzte arbeiten auch interdisziplinär zusammen, um ihre Patienten frühzeitig zu behandeln und deren Mobilität zu erhalten. Dr. Christiane Karrenberg, Orthopädin, Unfallchirurgin und Osteologin in Rösrath, und ihr Fachkollege Professor Dr. Uwe Maus vom Universitätsklinikum Düsseldorf arbeiten daran, das Bewusstsein für Osteoporose zu steigern.

life: Als niedergelassene Ärztin sehen Sie eine große Bandbreite osteoporotischer Krankheitsbilder. Welche Entwicklung beobachten Sie?

Dr. Christiane Karrenberg:  Etwas ist ganz eindeutig: Osteoporose ist eine Volkskrankheit, wenngleich eine immer noch unterschätzte. Pro Jahr treten in Deutschland 380.000 osteoporotische Knochenbrüche auf, das allein ist schon eine dramatische Zahl. Und die Zahlen nehmen in unserer alternden Gesellschaft zu, die medizinischen Fachgesellschaften gehen von rund fünf Millionen1 Menschen aus, die mit Osteoporose leben. 

Wie sieht der typische Therapiepfad der Osteoporose-Patientinnen in einer Schwerpunktpraxis aus?

Dr. Karrenberg: Ich beobachte häufig, dass sich Patientinnen vorstellen, deren Mutter oder Schwester schwer an Osteoporose leiden und die das für sich selbst überprüfen lassen wollen. Andere Patientinnen im postmenopausalen Alter wiederum kommen zum Beispiel auf Anraten ihres dafür sensibilisierten Gynäkologen. Einen großen Teil sehe ich erst, wenn es bereits zu einer Fraktur gekommen ist. Von den genannten circa fünf Millionen Betroffenen wissen ja längst nicht alle, dass bei ihnen ein Knochenabbauprozess begonnen hat. Insgesamt zeigt sich eine steigende Aufmerksamkeit für das Thema.

Wie ist Ihr Vorgehen in der Diagnostik bei einer Patientin mit Verdacht auf Knochenabbau?

Dr. Karrenberg: Ich arbeite eingangs mit einem spezifischen Osteoporose-Fragebogen für Patientinnen mit entsprechendem Risiko. Die aktuelle Behandlungsleitlinie des Dachverbands Osteologie, die soeben im Juni auf dem Osteologen-Kongress angenommen worden ist, führt zahlreiche Risikofaktoren auf. Das kann eine in der Familie liegende Disposition sein. Das können zum Beispiel chronische entzündliche Darmerkrankungen sein, aber auch rheumatoide Arthritis, Asthma oder COPD, Schilddrüsenerkrankungen, Diabetes Typ 1, Dialysepflicht oder Brustkrebs. Es ist oft die auf die jeweilige Erkrankung bezogene Medikation, die in der Regel die Knochendichte angreift, wie etwa Cortison oder Aromatasehemmer. Wir führen sodann eine Osteoporose-Labordiagnostik zur Bestimmung der Knochenparameter, wie zum Beispiel Kalzium, durch und optional des Vitamin-D-Werts. Wenn ich eine klare osteoporotische Fraktur sehe, beispielsweise einen Wirbelbruch, brauche ich das Ergebnis einer Knochendichtemessung zwar nicht abzuwarten. Dennoch gehört die Knochendichtemessung zur Eingangsuntersuchung und sie liefert zur Kontrolle des weiteren Behandlungsverlaufs wichtige Daten.

Welchen Behandlungsweg schlagen Sie dann ein?

Dr. Karrenberg: Das hängt natürlich immer von der Ausprägung des osteoporotischen Geschehens ab, von etwaigen Begleiterkrankungen und Medikamenteneinnahme, vom allgemeinen Zustand des Patienten. Ganz generell wird, falls nötig, zunächst der Vita­min-D-Speicher aufgefüllt, erst danach ist es sinnvoll, spezifische Medikamente einzusetzen. Und bei Bedarf erfolgt eine Schmerzmedikation.

Werden Frauen und Männer gleich therapiert?

Dr. Karrenberg: Grundsätzlich schon, aber das Medikamentenspektrum für Männer ist nicht so breit wie das für die postmenopausale Frau, denn nicht alle für Frauen zugelassen Medikamente sind auch für Männer zugelassen. 

„Generell wäre es gut, wenn öfter daran gedacht würde,
dass hinter einem Knochenbruch eine Osteoporose stecken kann.“

Prof. Dr. Uwe Maus

In der Klinik sehen Sie, Professor Maus, vermutlich ein anderes Patientenklientel …

Prof. Dr. Uwe Maus: Ich schätze, dass 95 Prozent unserer Patienten aufgrund von Frakturen zu uns kommen. Viele von ihnen sind alterstraumatologisch betroffen, sie nehmen eine Reihe von Medikamenten ein, sind generell muskulär schwächer. Nach der Versorgung der Frakturen schauen wir sehr schnell nach dem Knochenstoffwechsel. Hat die Patientin einen ausgeglichenen Vitamin-D-Spiegel, beginnen wir gleich mit der spezifischen Therapie, aber in acht oder neun von zehn Fällen ist das gar nicht sofort möglich. Diese Patientinnen bekommen dann eine Empfehlung für die spätere Medikation, aber wir leiten diese nicht direkt ein.

Was wünschen Sie sich an Verbesserungen beim aktuellen Entlassmanagement nach Frakturen?

Prof. Maus: Generell wäre es gut, wenn öfter daran gedacht würde, dass hinter einem Knochenbruch eine Osteoporose stecken kann. Ideal wäre es, wenn solche Patientinnen das Krankenhaus verlassen und da bereits einen Termin in einer Schwerpunktpraxis oder beim Osteologen haben. Auf dem Weg aus der Klinik gehen manche Patientinnen leider verloren – beim Warten auf einen Termin oder weil sie es einfach vergessen oder weil sie überfordert und nicht mobil sind. Bei einer Herzerkrankung würde man das nicht einfach so laufen lassen …  

Dr. Karrenberg: Genau, es geht darum, den Weg zu weisen. Ein sehr gutes Konzept wäre das eines Koordinators, der dem Patienten bereits in der Klinik eine Mappe zusammenstellt mit allem, was im Entlassbrief kurz aufgeführt ist: Befunde, Laborergebnisse und mit einem Risikofragebogen, verständlichem Infomaterial und wohnortnahen Praxisadressen ergänzt. Überlässt man das ohne Hilfestellung den oft alten Patientinnen, ist die Gefahr groß, dass nichts geschieht und man sie mit der nächsten „major fracture“ wiedersieht. 

Sogenannte Volkskrankheiten haben bekanntlich viel mit Lebensgewohnheiten zu tun …

Dr. Karrenberg: Wie so oft: Gesunde Ernährung und viel Bewegung können Krankheitsverläufe abmildern oder eine Erkrankung hinauszögern. Gerade der Bewegungsaspekt ist wirklich entscheidend – und doch bei alten Patientinnen so schwierig zu fördern. Sie trauen sich immer weniger zu, vor allem wenn sie schon einmal gestürzt sind. Dann ist es schwer, sie auch nur zu einem zehnminütigen Spaziergang zu motivieren. Kaum zu überschätzen ist da der Einsatz einer wirbelsäulenaufrichtenden Orthese, das empfehlen auch die Leitlinien. Eine Orthese dient einerseits der Schmerztherapie, sie unterstützt aber auch die Körperhaltung und Aufrichtung und dient damit auch der Prophylaxe eines Sturzes. Das Gefühl der Sicherheit ist für die Patienten überaus wichtig und kann ihre Mobilität erhalten.

Die Wirbelsäulenorthese Spinova Osteo unterstützt eine aufrechte Haltung im Alltag.

Wie gut kommen gerade die älteren Patientinnen mit einer Orthese zurecht?

Dr. Karrenberg: Das Anlegen einer Orthese muss gut vermittelt werden, das machen die versorgenden Sanitätshäuser. Therapiestandard nach einer Wirbelkörperfraktur sind circa drei Monate, aber ich empfehle meinen Patienten, zumindest bei Belastungen ihre Orthese weiterhin zu tragen. Und ich höre umgekehrt auch, dass Patienten von sich aus sagen: Die Orthese tut mir gut, die trage ich immer mal wieder. Wichtig ist dabei immer wieder: Die meisten Patienten wollen nicht alt und gebrechlich aussehen. Da ist es gut, wenn die Orthese unter der Kleidung getragen werden kann und möglichst wenig aufträgt.

Prof. Maus: Ich halte Orthesen auch für sehr wichtig und sehr wirksam, man kann sie ja sogar noch im Krankenhaus im Rahmen des Entlassmanagements verordnen. Dennoch spielen Orthesen im stationären Bereich weniger eine Rolle als im ambulanten Bereich, da bei uns der Anteil an operativ versorgten Patienten natürlich höher ist als im ambulanten Bereich.

Was sind die Folgen einer nicht behandelten Osteoporose?

Dr. Karrenberg: Frakturen sind da als Erstes zu nennen. Wenn beispielsweise das Schultergelenk bricht, hat das Folgen für das selbstständige Leben, denken Sie an Anziehen, Rasieren, Kämmen … Wirbelbrüche oder Frakturen des Oberschenkelhalses können zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität führen, bis hin zu einer erhöhten Mortalität. Eine weitere Folge kann der Rundrücken sein, die Hyperkyphose. Dadurch steigt das Sturzrisiko, aber die übermäßige Krümmung der Brustwirbelsäule kann auch zu Einschränkungen der Atmung führen oder zu Beeinträchtigungen des Verdauungstrakts.

„Das Gefühl der Sicherheit ist für die Patienten
überaus wichtig und kann ihre Mobilität erhalten.“

Dr. Christiane Karrenberg

Welchen Stellenwert hat die interdisziplinäre Zusammenarbeit bei der Behandlung einer Osteoporose?

Dr. Karrenberg: Das ist ein ganz wichtiger Faktor. Zum einen liegen ja häufig, wie schon erwähnt, andere Erkrankungen vor, die sich auf die Knochendichte auswirken können. Zum anderen gibt es auch sehr komplexe Fälle, bei denen es wertvoll ist, auf zusätzliches Behandlungswissen zugreifen zu können. Das können Endokrinologen sein, Rheumatologen, Geriater, Nephrologen. Manchmal setzt man da ein richtiges Puzzle zusammen.

Mobilität erhalten mit der Spinova Osteo

Die Korrektur der Körperhaltung und das Training der Rückenmuskulatur sind wichtige Ansatzpunkte bei osteoporotischen Problemen der Wirbelsäule. Die Rückenorthese Spinova Osteo ist speziell dafür konzipiert, die Aufrichtung des Oberkörpers individuell angepasst zu unterstützen und die Haltung zu stabilisieren. Dadurch werden Schmerzen gelindert, Fehlhaltungen und Beeinträchtigungen des Gangs korrigiert. Das Sturzrisiko kann dadurch verringert werden, was insbesondere bei älteren Patienten wichtig ist, um deren Mobilität möglichst lange zu erhalten. Eine verbesserte Körperaufrichtung trägt zu einer besseren Lungenfunktion bei und entlastet die inneren Organe. Die Orthese ist einfach anzulegen, leicht zu tragen und fällt unter der Kleidung kaum auf.

Gut vernetzt

Wissen wird mehr, wenn man es teilt. Diesem Gedanken folgen die REKO, die Regionalen Expertenkreise Osteologie. Im Zusammenschluss REKO Deutschland e.V. kooperieren Ärzte verschiedener Disziplinen, um das Wissen auf dem Gebiet der Osteologie zu fördern und zu verbreiten, beispielsweise durch Forschung, Symposien und nun auch mit einem Podcast. 

Dieser interdisziplinäre Austausch zwischen Klinik, Praxis und Rehabilitation, aber auch zwischen Gesundheitspolitik und Leistungserbringern soll die bestmögliche Versorgung sicherstellen. Dr. Christiane Karrenberg ist 1. Vorsitzende der REKO.  

Mehr Infos unter www.reko-deutschland.de

Mehr zum REKO Podcast Rund um den Knochen und die Muskeln

1 Fragility Fractures in Germany. Burden, management and opportunities: EU6 Summary Final Report 2018-06-26.

Bilder: Bauerfeind, Michael Bause

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